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Ausstellungseröffnung "Weimarer Keramik"

01. 10. 2023 bis 31. 10. 2023 um Uhr

Von England aus hatte Ende des 18. Jahrhunderts durch die

auch heute noch existierende Firma Wedgwood die Entwicklung

der industriellen Steingut-Keramik für die Herstellung von Trinkund

Essgeräten seinen Anfang genommen. Zielgruppe war in

dem entstehenden Industriezeitalter die, „untere Ebene des

alltäglichen Verbrauchs“ (Tilmann Buddensieg, Keramik in der

Weimarer Republik, Germanisches NATIONAL MUSEUM, 1984)

oder anders ausgedrückt: Die Arbeiterklasse, in der kommunistischen

Terminologie das Proletariat. Die Wedgwood-Steingut-

Keramik unterschied sich von der bis dahin wegen seiner

Kostspieligkeit nur der herrschenden Klasse zur Verfügung

stehenden Fayence und von dem chinesischen, seit 1750 auch

dem Meißener Porzellan, durch vier grundlegende Merkmale:

1.Tonmaterial für Steingut stand überall zur Verfügung. Es war

billig und Transport- und Abbaukosten spielten für die industrielle

Herstellung keine Rolle.

2. Anders als bei der Porzellanherstellung mit dem Einsatz der

Dreh-(Töpfer)Scheibe, die eine teure, langjährige Ausbildung,

technisch und künstlerisch, erforderte, war die Steingut-Keramik

von Anfang an auf Massenherstellung durch den Einsatz

ungelernter Arbeiter ausgerichtet. Quasi am „Fließband“ wurde

der Herstellungsprozess durch Press-, Guss- und Formmaschinen

in Teilstücke zerlegt, immer gleich und in immer gleichblei bender

Qualität.

3. Das Dekor wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts nicht – wie

vom Porzellankünstler – mit dem Pinsel Stück für Stück aufgetragen,

sondern mit der Spritzpistole, Aerograph genannt, unter

Zuhilfenahme von Dekorschablonen auf die in Massenfertigung

hergestellten getrockneten Scherben aufgespritzt. Allenfalls die

Dekorschablonen wurden noch von einem Künstler oder einer

Künstlerin entworfen.

4. Steingut erfordert – anders als Porzellan – keine Brenntemperaturen

von weit mehr als 1000 Grad, die im 18. und 19.

Jahrhundert nur mit dem Einsatz von teurem Holz zu erzielen

waren. Für die sehr viel größeren, befahrbaren Steingut-Brennöfen

genügte der Einsatz von damals billiger Steinkohle.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts änderten sich u.a. infolge der

alle Lebensbereiche beeinflussenden Industrialisierung, aber

auch infolge der errungenen künstlerischen Freiheiten und des

zunehmenden Bildungsbürgertums, das sich allen Bereichen der

Kunst (Malerei, Architektur, Musik, Literatur etc.) öffnete, die

Ausdrucksformen und Rezeptionen. Jugendstil, Art Déco,

Expressionismus, Kubismus, Konstruktivismus/Suprematismus,

Werkbund, Bauhaus mögen als Stichworte genügen. Der erste

Weltkrieg hinterließ in ganz Europa, vor allem aber in Deutschland

mit dem Untergang des feudalistischen Kaiserreichs, nicht nur

Tod und Vernichtung, sondern führte auch zur Ausfüllung der

Leere, Befreiung von staatlichen Fesseln und zur

Herausforderung von Kreativität und zu Neuanfang, politisch mit

der rechtsstaatlichen/demokratischen Weimarer Reichsverfassung,

im kulturellen Leben mit der ungehinderten Übernahme

und Ausübung aller Formen der zeitgenössischen Kunst und

eines modernen, von Amerika beeinflussten Lebensstils.

Mit Weimarer Keramik wird eine kurze Epoche der Steingut-

Keramik von 1919 bis 1933 bezeichnet (parallel

existierte das Bauhaus von 1919 bis 1933). Es war der

Kunsthistoriker Tilmann Buddensieg, der ab 1978 vornehmlich

auf Flohmärkten diese eigentlich in Vergessenheit

geratene Keramik wieder entdeckte, sammelte und wissenschaftlich

erforschte. Etwa ab 1919 hatten in Deutschland

die Steingut-Keramik-Manufakturen (mehr als 30 mit bis zu

400 – 600 Mitarbeitern) mit der Perfektionierung nicht nur

der industriellen Fertigungstechniken begonnen. Sie hatten

sich auch zunehmend von dem bisher eher traditionellen

Dekor abgewandt und unter Einsatz des Spritzdekors

Anlehnung an die Ausdrucksformen der zeitgenössischen

Kunst wie des Expressionismus, des Kubismus oder des

russischen Suprematismus/Konstruktivismus gefunden.

Tilmann Buddensieg hat dies in seinem maßgeblichen

Katalogbeitrag wie folgt zusammengefasst: „Die Weimarer

Einheitlichkeit in der Ausstattung und Formgebung aller

Lebensäußerungen beruhte trotz breiter Opposition der

Extremen, prekärer politischer Existenz, schwierigster

Wirtschaftslage, auf dem Bekenntnis zur Modernität der

technischen Welt und ihren Möglichkeiten der massenhaften

Verbreitung schöner und guter Gebrauchsgegenstände für

alle Schichten der Bevölkerung.“

1933, mit der Machtergreifung durch die NSDAP, endet

durch Drohungen und Verbot die Geschichte der Weimarer

Keramik. Sie begann – um auch hier Buddensieg auszugsweise

zu zitieren -, „Als proletarisches Porzellan-Surrogat,

fand (ihren) Höhepunkt . . . als ästhetisch überlegener

Massenartikel für Alle in der Weimarer Zeit und sank nach

1933 zum Rassenmerkmal deutschen Wesens ab.“

Das Phänomen dieser Keramik und ihr Verschwinden gab es

nur in Deutschland, – vereinzelt – in den Niederlanden

(Maastricht) und in Tschechien (Böhmen).

 

Veranstaltungsort

Gutshaus Landsdorf

Dorfstraße 63
18465 Landsdorf

 

Veranstalter

Gutshaus Landsdorf

 

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